"Viel Lärm um nichts"! Humanistische Union zur Abstimmung über Suizidhilfe im Bundestag
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Am 6. Juli 2023 sind im Bundestag beide Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe gescheitert. Keiner von beiden erhielt in der zweiten Lesung die erforderliche Mehrheit. Dazu die Stellungnahme der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union im Wortlaut:
"Im Jahr 2015, vor acht Jahren, wurde der § 217 ins Strafgesetzbuch eingeführt. Mit ihm wurde erstmalig die geschäftsmäßige Suizidhilfe in Deutschland unter Strafe gestellt. Die Humanistische Union hat sich von Anfang an dagegen gewandt; wir hielten die Regelung für einen verfassungswidrigen Eingriff in die Grundrechte der Suizidenten und ihrer Helfer (https://www.humanistische-union.de/thema/bundestag-entscheidet-gegen-bevoelkerungsmehrheit-und-fachverstand/). Gemäß unserer bürgerrechtlichen Linie, die wir im Kampf für die Durchsetzung der Patientenverfügung verfolgten, schien es folgerichtig, dass jeder nicht nur über seine ärztliche Behandlung selbst entscheiden kann, sondern auch über die Beendigung seines eigenen Lebens. Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit seinem Urteil vom 26. Februar 2020 Recht gegeben (BverfGE 153,182). Das Urteil stellte fest, dass zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Sterben gehört. Weil in dieses Recht durch § 217 StGB verfassungswidrig eingegriffen wurde, hoben die Verfassungsrichter den Straftatbestand auf. Seitdem gab es keine speziellen strafrechtlichen Regelungen zur Suizidhilfe mehr. Auch die berufsrechtlichen Regelungen einiger Landesärztekammern, die den Ärzten die Suizidhilfe untersagten, mussten nach dem Urteil aufgehoben werden. Nicht erlaubt wurde jedoch der legale Zugang zu einem Tötungsmittel. Bis heute ist Ärzten und Apothekern die Verordnung und Abgabe eines solchen Mittels untersagt.
Mit dem heutigen Scheitern der Gesetzentwürfe bleibt es bei dieser Rechtslage, die Suizidhilfe ist straffrei, aber es gibt keinen legalen Zugang zu einem Tötungsmittel.
Für unsere bürgerrechtliche Arbeit ist es wichtig zu verstehen, warum und wie die Entwürfe gescheitert sind.
Für unsere bürgerrechtliche Arbeit ist es wichtig zu verstehen, warum und wie die Entwürfe gescheitert sind.
Der interfraktionelle Entwurf der Abgeordneten Castellucci, Heveling u.a. (BT-Drs. 20/94), mit einer Mehrheit von Unterstützern aus CDU und CSU, wollte ein neues strafrechtliches Verbot in § 217 StGB regeln, das im Unterschied zur aufgehobenen, verfassungswidrigen Norm breitere Rechtfertigungsgründe für Ausnahmen zulassen wollte. Voraussetzungen dafür sollten zwei psychiatrische Gutachten sein. Bei der öffentlichen Anhörung im Rechtsauschuss des Bundestages am 28. November 2022 haben vier der fünf juristischen Gutachter den Entwurf für bedenklich gehalten. Diese Einschätzung teilen wir. Wäre dieser Entwurf angenommen worden, wäre es erneut zur Aufhebung in Karlsruhe gekommen. Der Entwurf erhielt aber von den 690 abgegebenen Stimmen nur 304 Ja- und 363 Nein-Stimmen bei 23 Enthaltungen und scheiterte.
Auf der anderen Seite gab es zunächst zwei Entwürfe, einen FDP-dominierten Entwurf der Abgeordneten Helling-Plahr, Sitte u.a. (BT-Drs. 20/2332) und einen grün dominierten Entwurf der Abgeordneten Künast, Scheer u.a. (BT-Drs. 20/2293). Beide Entwürfe sahen keine strafrechtliche Lösung vor, konkurrierten aber bis Mitte Juni gegeneinander. Es war naheliegend, wie wir zu fordern, dass sich beide Entwürfe zusammenschließen, damit überhaupt eine Chance für eine Mehrheit bestand, die aber letztlich nicht mehr erreicht wurde. Von 682 abgegebenen Stimmen waren 287 Ja- und 375 Nein-Stimmen bei 20 Enthaltungen. Dem Castellucci-Entwurf fehlten für eine Mehrheit 60 Stimmen und dem Helling-Plahr/Künast-Entwurf sogar 89 Stimmen. Es fragt sich aber, wo die Anzahl der Gegenstimmen herkommt, die die Zahl der Unterstützer des Gegenentwurfs jeweils deutlich übersteigt und zum Scheitern der Entwürfe geführt hat. Nach den Stimmverhältnissen muss es einen Block gegeben haben, der gegen beide Entwürfe gestimmt hat. Aus der heutigen Plenardiskussion war zu entnehmen, dass die AFD-Fraktion in die interfraktionelle Arbeit nicht einbezogen war, gegen beide Entwürfe gestimmt hat und damit beide zu Fall gebracht hat.