Das ist ein guter Tag für die Toleranz
Endlich! Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, daß das generelle Tanzverbot an Karfreitag verfassungswidrig ist (siehe Bundesverfassungsgericht, Bund für Geistesfreiheit und Süddeutsche). Die Hartnäckigkeit des Bundes für Geistesfreiheit München hat sich gelohnt!
Warum ist das ein guter Tag? Weil eine der gesetzlichen Regelungen angegriffen wird, die religionsfreie Menschen völlig unnötigerweise in ihren Freiheiten einschränken. Wie skurril ist es denn, an einem stillen Feiertag ein Schachturnier zu verbieten (Atheologie.de)? Was genau soll einen Gottesdienstbesucher stören, wenn irgendwo in einem Münchner Stadtviertel, in einem geschlossenen Raum, eine Party stattfindet? Es ist eben keine Lappalie – denn wenn es unwichtig wäre, warum wird dieses verfassungswidrige Recht der Religionsgemeinschaften so vehement verteidigt? Vermutlich weil es eine der letzten Bastionen ist anderen, unbeteiligten Menschen irrationale Verhaltensweisen aufzudrängen (Atheologie.de). Dieses Urteil greift die ungerechtfertigte Selbstverständlichkeit der Religionsgemeinschaften an, den Alltag auch der Religionsfreien bestimmen zu wollen. Es sei jedem religiösen Menschen von Herzen gegönnt, Feiertage so zu begehen, wie er es möchte. Es ist auch nicht im Geringsten das Bestreben der religionsfreien Mitglieder des Bunds für Geistesfreiheit, Gottesdienste zu stören. Was hier endlich durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde ist, daß religionsfreie Menschen eine andere weltanschauliche Auffassung davon haben dürfen, was man an einem Karfreitag tun möchte, und was nicht – und daß dies genauso schützenwert ist wie die Bedürfnisse der religiösen Menschen. Wer am Karfreitag in einer Kirche tanzen würde, würde natürlich respektlos gegenüber den dort Anwesenden handeln – in den eigenen Räumen darf jeder seine eigene Auffassung durchsetzen. Das Verfassungsgericht hat jedoch auch bestätigt, daß eine „gefühlte Störung“ durch eine Aktivität an einem völlig anderen, unabhängigen Ort keine Rechtsverletzung sein kann.
Wie sehr dieses Urteil die Verteidiger der Kirchenprivilegien trifft, zeigt sich in der Wortwahl gegenüber dem Bund für Geistesfreiheit: Wolfgang Janisch verwendet (Süddeutsche) die abwertende Formulierung „ein ‚Bund für Geistesfreiheit'“ – so als ob dieser Bund ein Aussätziger sei. Noch getroffener zeigt sich der Bayernkurier: Er schreibt „der sogenannte ‚Bund für Geistesfreiheit'“ – man hat offensichtlich keine Argumente, also muß man den vermeintlichen Gegner herabstufen.
Der Bund für Geistesfreiheit ist eine über 150 Jahre alte Vereinigung humanistisch, demokratisch und säkular gesinnter Menschen, gegründet als eine der vielen historischen freireligiösen Bewegungen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden diese Vereinigungen nicht nur in Bayern entweder verboten oder unterdrückt (hpd.de). Es ist eine Anmaßung, diesen Verein zu diskreditieren.
Im gleichen Artikel (Bayernkurier) wird der sogenannte Ministerpräsident Seehofer zitiert mit „Man kann nur noch den Kopf schütteln, mit welchen Spitzfindigkeiten heutzutage Urteile gefällt werden“. Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein Ministerpräsident bezeichnet die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts als „spitzfindig“ – so als bestünde das Gericht aus einer Bande von Kleingauner und Betrügern. Hier mangelt es an Respekt vor den Organen unserer demokratischen Gesellschaft.
Jetzt heißt es erstmal Tanzen, Feiern und Spaß haben am kommenden Karfreitag – so wie es der religionsfreien, menschenliebenden Weltanschauung des Bunds für Geistesfreiheit angemessen ist!
Der Autor Michael P. Geyer ist Mitglied im Bund für Geistesfreiheit München.
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