Klage gegen "Kreuzerlass" der bayerischen Staatsregierung vorgestellt

Pressekonferenz im Bellevue di Monaco - © 84 GHz - A. Sturm
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Bund für Geistesfreiheit sieht Verstoß gegen staatliches Neutralitätsgebot und das Grundrecht auf Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit verletzt

Der Bund für Geistesfreiheit München K.d.ö.R. und der Bund für Geistesfreiheit Bayern K.d.ö.R. haben am heutigen Dienstag, 09.10.2018, ihre Klage gegen den sog. "Kreuzerlass" auf einer Pressekonferenz im Bellevue di Monaco vorgestellt. Neben dem Bund für Geistesfreiheit meldeten sich als Klägerinnen und Kläger Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote, Markus Apel, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbands in Bayern (LSVD Bayern), sowie Wolf Steinberger, Unternehmer und Kurator der Giordano-Bruno-Stiftung zu Wort. Der Klage des Bundes für Geistesfreiheit angeschlossen haben sich insgesamt 25 Personen, darunter Liedermacher Konstantin Wecker, Pfarrer Matthias Striebeck i.E., Hamado Dipama vom Münchner Migrationsbeirat, Tarek Carls, studentischer Sprecher der Uni Regensburg, sowie weitere 21 Frauen und Männer, unter anderem staatliche Angestellte, Unternehmer und Kulturschaffende.
Am vergangenen Freitag wurde die Klage vor dem Verwaltungsgericht München durch die Rechtsanwälte Hubert Heinhold und Dirk Asche von der Kanzlei Wächtler und Kollegen eingereicht. Unterstützt wird die Klage von der Giordano-Bruno-Stiftung und der "Schule des Ungehorsams" des österreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer.

Alle Klägerinnen und Kläger eint, dass sie auf Einhaltung der staatlichen, religiösen und weltanschaulichen Neutralität pochen und sich durch die Anbringung von Kreuzen im Eingangsbereich staatlicher Dienststellen in ihrer Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit verletzt sehen. Ziel der Klage ist, dass die bayerische Staatsregierung dazu verpflichtet wird, den Kreuzerlass zurückzunehmen und die Kreuze zu entfernen.

Der Bund für Geistesfreiheit ist von dem Kreuzerlass besonders betroffen, "weil das Kreuz als das zentrale Symbol der christlichen Religionsgemeinschaften den Kennzeichen und Symbolen anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorgezogen und in demonstrativer Weise schon im Eingangsbereich präsentiert wird. Als religionskritische Weltanschauungsgemeinschaft sehen wir uns hier nicht nur einer Ungleichbehandlung ausgesetzt, sondern auch einer Herabsetzung der eigenen Weltanschauung durch die Bevorzugung der christlichen Religion, obwohl wir als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Religionsgemeinschaften juristisch gleichgestellt sind", so Assunta Tammelleo, stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit München, die die Klage initiierte. Das Grundgesetz hat aber durch Artikel 140 "dem Staat als Heimstatt aller Staatsbürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität" auferlegt, wie das Bundesverfassungsgericht 1965 feststellte.

Der Kreuzerlass und die Anbringung der Kreuze im Eingangsbereich der bayerischen Behörden verletzt dieses Neutralitätsgebot. Denn das Kreuz ist nicht "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns", wie es im Kreuzerlass steht, sondern es ist ein religiöses bzw. christliches Symbol. Das zeigt auch die Reaktion der Kirchen. Kardinal Marx sprach in der Süddeutschen Zeitung sogar davon, dass, wenn man das Kreuz nur als kulturelles Symbol sehen will, es dann „im Namen des Staates enteignet“ würde. Auch für die Kläger dieses Rechtsstreits, ebenso wie für viele Anhänger anderer Religionsgemeinschaften, für Atheisten und Agnostiker, aber auch überzeugte Christen ist das Kreuz kein bloß kulturelles Symbol, sondern ein christliches.

So sieht sich Markus Apel, Vorstandsmitglied des LSVD Bayern "als Teil der LSBTIQ*-Gemeinschaft (LSBTIQ*-lesbisch, schwul, bisexuell, trans*ident, intersexuell, queer und mehr) durch Kreuze in Institutionen und öffentlichen Räumen an die fatalen historischen Verbrechen und die aktuelle Diskriminierung der Kirche gegenüber dieser Minderheit in Bayern erinnert, ausgegrenzt und angegriffen. Beispielweise werden gleichgeschlechtliche Ehen von der Landesynode der 'Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern' weiterhin nicht als gleichwertig zu heterosexuellen Ehen anerkannt," schreibt Apel in seiner Stellungnahme, die der Klageschrift beigelegt ist. Der Unternehmer Wolf Steinberger, Kurator der Giordano-Bruno-Stiftung, ergänzt: "Bürger ohne Glauben oder eines anderen Glaubens können sich vom Staat nicht mehr repräsentiert fühlen und als Beobachter kann man den Eindruck gewinnen, dies sei auch so gewollt."

Der Kreuzerlass schreibt vor, dass "im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes (...) gut sichtbar ein Kreuz anzubringen“ sei.  Der Besucher eines Dienstgebäudes soll schon beim Betreten desselben mit dem Kreuz konfrontiert werden. "Alle Klägerinnen und Kläger müssen in ihrem Leben eine Behörde aufsuchen oder werden gar dort hingebracht – z. B. von der Polizei oder einem Rettungsdienst. Von der Geburtsanzeige bis zur Sterbemitteilung, von der Kfz-Zulassung bis zu einem Bauantrag, von einer Gewerbeanmeldung bis zur Eheschließung. Es gibt kaum einen Bereich, in dem die Kläger nicht damit konfrontiert sind, dass ihnen das Kreuz als quasi-staatliches Symbol demonstrativ vorgehalten wird," sagt Tammelleo.

Damit tangiert der Kreuzerlass die Klägerinnen und Kläger auch in ihrer Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz), da sie die Verwendung – bzw. soweit sie selbst Christen sind, den „Missbrauch“ – der christlichen Symbole im staatlichen (und politischen) Kontext ablehnen und hierin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 sehen. Die Katholikin und Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote kritisiert in ihrer Stellungnahme, "die Instrumentalisierung des wichtigsten christlichen Symbols für populistische und wahltaktische Zwecke." Nach ihrer Ansicht verletzt die CSU-Regierung "die passive Religionsfreiheit der Bürger*innen, indem sie alle Bürger*innen und alle Beamt*innen und Angestellten in Landesbehörden unausweichlich mit dem Symbol einer ausgewählten Religion konfrontiert."

Neben der Klage gegen den Kreuzerlass hat der Bund für Geistesfreiheit eine Popularklage gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. "Wir wollen damit Rechtsstaat und Bürgerrechte vor der CSU und der bayerischen Staatsregierung schützen, die offensichtlich den Weg in den autoritären Polizei- und Überwachungsstaat eingeschlagen haben. Söders Kreuzerlass bzw. Kulturkampf für das sog. christliche Abendland ist die Begleitmusik dazu," stellt Tammelleo fest.
 

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