Die Freireligiöse Bewegung und die Deutschkatholiken 1848 in München

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Was viele nicht wissen, die geschichtlichen Wurzeln des Bundes für Geistesfreiheit München liegen im Vormärz und der Revolution von 1848.
Am Samstag, den 18. März, findet deswegen im EineWeltHaus München eine Veranstaltung zur Revolution 1848/49 mit der Band "Die Ruam" statt. Zur Einstimmung ein kleiner geschichtlicher Abriss zur Vorgeschichte des Bundes für Geistesfreiheit bzw. der "freireligiösen Bewegung" und der "Deutschkatholiken".
 
 

1844 schrieb der katholische Kaplan Johannes Ronge einen Offenen Protestbrief an den Bischof Arnoldi von Trier. Der Brief wurde veröffentlicht in den Sächsischen Vaterlandsblättern des späteren Paulskirchen-Abgeordneten und Freireligiösen Robert Blum, der 1848 beim Aufstand der Demokraten in Wien vom Militär standrechtlich erschossen wurde. Ronge protestierte gegen die Ausstellung des sog. „Heiligen Rock“ im Trierer Dom.

Aber Ronge prangerte nicht nur einen Aberglauben an, sondern rief auch die Bürger zum Protest auf

„weil ich es von meinem religiösen Standpunkt aus als eine gottlose Anmaßung betrachte, wenn unsere Fürsten sich allein von „Gottes Gnaden“ nennen uns aber ihre „Untertanen“, da wir doch alle freie Gottessöhne und Brüder sein sollen … .“

Die Töchter und Schwestern fehlen hier noch, aber schon in der Revolution 1848/49 tut sich was in Sachen Gleichberechtigung.

Aus dieser Auseinandersetzung um den „Heiligen Rock“ entstand in Deutschland eine freireligiöse Bewegung und es gründeten sich sog. „deutschkatholische Gemeinden“. Es entwickelte sich daraus eine echte Emanzipationsbewegung. Als Sakramente gab es für die Gemeinden nur Taufe und Abendmahl, sie traten ein für Priesterwahl und Priestertum für alle. Beichte, Reliquienverehrung, Fasten, Ablass und Wallfahrt lehnten sie ab. Sie wollten auch nicht mehr, wie sie sagten „Der Affe Roms“ sein.

Auch auf der protestantischen Seite entwickelte sich eine freireligiöse Bewegung, die sog. Lichtfreunde - um Licht in das geistige Dunkel zu bringen. Von ihnen ist der Leitspruch „Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube“, der gelegentlich auch heute noch benutzt wird.
 
Die freireligiöse Bewegung kann man als die erste große Kirchenaustrittsbewegung in Deutschland und eine der ersten Massenbewegungen im deutschen Vormärz, also noch vor der Märzrevolution 1848, bezeichnen.
 
Deutschkatholiken und Lichtfreunde, waren in ihrer großen Mehrheit Demokraten und Liberale. Und nach Schätzung des Historikers Manfred Botzenhart gab es im Revolutionsjahr 1848 rund 250 Gemeinden mit etwa 60.000 Mitgliedern, davon waren ein Drittel ehemalige Protestanten. Die unteren Mittelschichten stellten die soziale Basis in den Gemeinden.
 
Die Deutschkatholiken entwickelten ein sozialpolitisches Programm, das insbesondere für Arbeiter interessant war. Dazu gehörte die Forderung nach einem öffentlichen Schulwesen, nach Industrie-Unterricht, Zeit für Erholung und Körperpflege, Armenärzten, Armenkassen und Turn- und Badeanstalten. Im Umfeld der freien Gemeinden entwickelten sich Vereine zur praktischen Lebenshilfe.
 
In der Revolution von 1848/49 engagierten sich zahlreiche Anhänger der Deutschkatholiken und Lichtfreunde in der liberalen und demokratischen Bewegung. Viele waren sogar wichtige Protagonisten. wie der schon genannte Robert Blum oder der Revolutionär und Radikaldemokrat Gustav von Struve oder der Revolutionär und spätere US-amerikanische Innenminister Carl Schurz.
Nach der Niederschlagung der Revolution wurden die neu entstandenen Gemeinden vielerorts verboten, andere lösten sich unter dem staatlichen Druck auf. Einige ihrer bekanntesten Vertreter waren hingerichtet worden wie Robert Blum, zahlreiche andere waren ins Exil geflohen wie Johannes Ronge, Gustav von Struve und Carl Schurz.
 
Situation in Bayern und München
 
Im Vormärz gründeten sich noch keine Gemeinden der Deutschkatholiken und Lichtfreunde in Bayern – zumindest nicht offiziell. Der bayerische Innenminister hatte 1845 an die Polizei die Weisung erteilt, die Deutschkatholiken als hochverräterisch zu behandeln., obwohl die bayerischen Verfassungen von 1808 und 1818 die „Freiheit der Gewissen“ einräumte.
 
Erst in der Revolution von 1848, in der Grundrechte wie Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit gewährt wurden, entstanden in Bayern und auch in München freireligiöse Gemeinden. Schon im März 1848 gab es eine königliche Verordnung, welche die freien Gemeinden in Bayern als Privatreligionsgemeinschaften anerkannte.
 
Am 17. September 1848 fand die erste Versammlung einer deutschkatholischen Gemeinde in München statt - inklusive Prediger, Gesänge, Gebete und Abendmahl. Auch Johannes Ronge predigte 1848 in München. Gleichfalls entstanden in Nürnberg, Fürth, Schweinfurt oder Erlangen Gemeinden.
 
Der Frauenanteil betrug schätzungsweise um die 40%. Und Frauen waren auch in den Gemeinden von München, Fürth, Erlangen oder Schweinfurt stimm- und wahlberechtigt. Das war sehr fortschrittlich für die damalige Zeit, so war das Wahlrecht zur Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zwar gleich und allgemein, aber es galt nur für Männer.
 
Die Mitgliederzahl in München soll bei 300 gelegen haben. Und schon damals sei es in München nur noch wenig um „freie Religion“ gegangen, sondern es sei, so heißt es in einer Stellungnahme des bayerischen Innenministers,
 
ein crasser Materialismus gelehrt worden, (...) Feuerbachs Philosophie wird als der wahre Grundstein der Zukunft betrachtet (…) es sei einer der Hauptgedanken, die Unsterblichkeit wegzudemonstrieren (…) und dass nicht nur ein Abstreiten des Christentums, sondern jeder Religion bereits im Anzuge, wenn nicht eine vollendete Tatasche sei (…) aber, dass bei solchen Einrichtungen (Anmerkung: gemeint ist Stimmrecht und Wählbarkeit der Frauen in den Gemeinden) die Sitte nicht gefördert wird, ist wohl selbst klar.
 
Nach dem Scheitern der Revolution 1849 verstärkte sich auch bald die polizeiliche Verfolgung, es kam zu Verhaftungen und zur Auflösung von Versammlungen. Der Prediger Schell wurde in München festgenommen und des Landes verwiesen. 1851 wurde den Gemeinden die Anerkennung als Religionsgemeinschaft wieder entzogen und 1852 ein Verbot ausgesprochen. Der Staat verdächtigte die Gemeinden politischer Umtriebe, zog das Vermögen ein und durchsuchte die Häuser der Vorstände. Sogar geschlossene Ehen wurden für nichtig erklärt.
 
Erst am 28. Oktober 1870 kam es zur Neugründung einer Freireligiösen Gemeinde in München.