„Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ (GG Art 140) – Oder doch?

Der Bund für Geistesfreiheit Bayern K.d.ö.R. wurde vom Bayrischen Staatsminsterium des Inneren im Rahmen der Verbandsanhörung zur Neufassung des Bayerischen Datenschutzgesetzes und Änderung anderer Rechtsvorschriften zu einer Stellungnahme aufgefordert. Im Folgenden finden Sie den Wortlaut der abgegebenen Stellungnahme:

„Anstelle einer eingehenden Kommentierung des zugesandten Gesetzentwurfes, legen wir im Folgenden kurz dar, welche grundsätzliche Position zum Thema Datenschutz der Bund für Geistesfreiheit Bayern K.d.ö.R. bezieht.

Datenschutz bedeutet für uns das Interesse des selbstbestimmten Individuums in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehört, allem voran, der Verzicht auf die Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten wo immer möglich. Sofern die Speicherung von Daten für bestimmte notwendige oder vom Individuum gewünschte Zwecke erforderlich ist, bestimmt das Individuum selbst über Erhebung und Speicherung und behält auch im Nachgang die volle Kontrolle über die erhobenen Daten.

Begehrlichkeiten privater oder staatlicher Akteure nach Sammlung, Verknüpfung und Verwertung personenbezogener Daten für spätere Verwendung oder Verwertung, die nicht vom Individuum gebilligt wurden, lehnen wir entschieden ab.

Die folgenden Beispiele sind nicht als abschließend zu betrachten, sondern illustrieren unsere grundsätzliche Haltung:

  • Bei verschiedenen Lösungsmöglichkeiten ist stets jener der Vorrang zu geben, die das Interesse des Individuums an Datensparsamkeit am besten befriedigt. Ein Negativbeispiel ist der Plan zur Einführung einer nicht entfernungsabhängigen PKW-Maut mit Kennzeichenerfassung. Die so gesammelten Bewegungsdaten stellen einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Interesse des Individuums auf Teilnahme am Verkehr bei Wahrung seiner informationellen Selbstbestimmung dar.
     
  • „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ (GG Art 140 i.V.m. Art 136 Abs. 3 WRV) – Weltanschauung wird damit zur intimen Privatsache, die nicht offenbart werden muss. Leider werden darüber hinaus so weitreichende Ausnahmen eingeräumt, dass dies aus unserer Sicht nicht mehr gewährleistet ist. Das meint unter anderem die Erfassung der Konfession auf dem Standesamt, als auch die Übermittlung der Konfession an Arbeitgeber oder Banken. Der Einzug der Mitgliedsgebühr für einige Weltanschauungen mit Religion ist nur traditionell begründbar. Jedoch haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Anders als früher kann Staatsbürger und Mitglied einer Kirche nicht mehr ins eins gesetzt werden. In wenigen Jahren wird weniger als die Hälfte der Bevölkerung Mitglied in einer Weltanschauungsgemeinschaft mit Religion sein. In Städten wie München ist dies bereits heute der Fall. Zudem sind die Kosten für einen separaten Einzug der Mitgliedsbeiträge der Kirchen aka Kirchensteuer durch diese selbst dank moderner Informationstechnik sicherlich sogar zu geringeren Kosten als dem bisher dafür an den Staat bezahlt Anteil möglich.
     
  • Ein weiteres Datum, das bei bisheriger Kirchensteuerpraxis offenbar wird, ist die Höhe des Einkommens. Dieses gilt vielen Menschen in Deutschland als ein sensibles Datum. Da selbst die mit Verfassungsauftrag ausgestatteten Parteien, die ebenfalls meist einen an das Einkommen gekoppelten Mitgliedsbeitrag erheben, dieses Datum nicht von staatlicher Stelle erhalten, ist dessen Übermittlung an die Kirchen nicht einsichtig und daher einzustellen.
     
  • Die ubiquitäre Erfassung des Geschlechtes (ob explizit oder vermittels der Anrede) ist lediglich traditionell begründbar, aber vor dem Hintergrund einer Liberalisierung der Gesellschaft mittlerweile absolut unnötig. Weder ist Homosexualität unter Strafe gestellt, noch ist für Familie – spätestens nach der Einführung der Ehe für Alle – ein verschiedengeschlechtliches Paar Voraussetzung, noch ist die Geltung von Gesetzen geschlechtsabhängig, wenn man einmal vom diskriminierenden §183 StGB absieht. Mangels der Notwendigkeit der Erfassung überwiegen also allenfalls die Risiken in Form von Diskriminierung.
     
  • Ein ebenfalls zur Diskriminierung geeignetes Datum ist der Familienstand. Wie beim Geschlecht ist durch die Liberalisierung der Gesellschaft die Erhebung des Familienstandes nicht mehr erheblich. Doch wird er etwa Arbeitgebern über die elektronische Lohnsteuerkarte in Form der Steuerklassen mitgeteilt. Gerade in kirchlichen Betrieben ist diese Änderung etwa bei Scheidung oder Wiederverheiratung ein Datum das mitunter zu einer Benachteiligung etwa in Form der Entlassung des Individuums führt. Der Bund für Geistesfreiheit spricht sich generell gegen Diskriminierung aus und sieht daher in der Erfassung des Familienstands ein Datum das weitestgehend nicht gespeichert und weitergegeben werden sollte. Die mit den Steuerklassen angestrebte Familienförderung sollte stattdessen im Sinne des Schutzes des Individuums besser als direkte Leistung an die Familien erfolgen – idealerweise einkommensunabhängig, da die einkommensabhängige Förderung eine explizite Ungleichwertung verschiedener Familien darstellt und soziale Ungleichheit befördert.

Wir vertrauen darauf, dass die Novelle des Bayrischen Datenschutzgesetzes im Geiste maximaler Datensparsamkeit und unter Wahrung des Interesses des Individuums an größtmöglicher informationeller Selbstbestimmung erfolgt.“