§ 219a: Tabu und Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen werden bleiben

Zum am 30. Januar 2019 veröffentlichten Referentenentwurf zum § 219a StGB sagt Rosemarie Will, Mitglied im Bundesvorstand der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union: „Die Frauen werden in ihrer existenziellen Not allein gelassen, und die Ärzte werden offiziell so behandelt, als unterstützten sie das rechtswidrige Handeln der Frauen. Durch diese Regelung wird kein Schwangerschaftsabbruch verhindert, aber die Frauen und Ärzte werden wegen der Abbrüche diskriminiert“. Deshalb fordert die Humanistische Union zusammen mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Streichung von § 218 StGB und von § 219a StGB. Der jetzt gefundene Kompromiss sei weder sachgerecht, noch könne er die Zweifel an der Verfassungswidrigkeit von § 219a StGB ausräumen, so die Organisation.

Die vorgeschlagene Änderung des § 219a StGB behält das bisher geltende Werbeverbot bei, um „großflächige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ (so Gesundheitsminister Jens Spahn) oder „grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche “ (so die Gesetzesbegründung) zu verhindern. Darum sei es nie gegangen, das wäre auch ohne die Regelung in § 219a StGB den Ärzten nicht erlaubt – es würde gegen ihre berufsrechtlichen Regeln verstoßen, stellt die Humanistische Union fest.

Die im Jahr 2017 nach § 219a StGB verurteilte Ärztin Hänel hatte auf ihrer Webseite darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt, und hatte angeboten, weitere Informationen zum Eingriff per E-Mail anzufordern. Sie hatte den Schwangerschaftsabbruch auf ihrer Webseite nicht anders behandelt als ihre übrigen medizinischen Leistungen, um den Frauen die dazu notwendigen Informationen zu geben. Will: „Es ist alles andere als klar, ob nach der vorgeschlagenen Neuregelung Frau Hänel nicht erneut von den Gerichten verurteilt werden würde. Der Vorschlag schafft keine Rechtssicherheit“.

Die Regierungsparteien wollen das bisherige, aus Sicht der Humanistischen Union völlig unsinnige und überzogene Werbeverbot nicht streichen. Vorgesehen ist lediglich, dass die Ärzte und Krankenhäuser über die schlichte Tatsache, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nunmehr straffrei informieren dürften. Für alle weiteren notwendigen Informationen müssten sie auf staatliche oder staatlich beauftragte Stellen verweisen. „Damit wird an der bisherigen Tabuisierung und Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen festgehalten“, so Will. „ Was an dieser Regelung sinnvoll und gut sein soll, erschließt sich nicht“. Aber selbst wenn man dem Gesetzgeber wegen des Koalitionsfriedens unsinnige Regelungen zugesteht, bleibe im Falle von § 219a StGB die Frage, ob die Beibehaltung des bisherigen Werbeverbots trotz der vorgeschlagenen Ausnahmeregelung nicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit von Ärzten sei. Ärzte könnten auch weiterhin die notwendigen Informationen zum Schwangerschaftsabbruch nicht auf ihre Webseite stellen, ohne fürchten zu müssen, dafür strafrechtlich verfolgt zu werden, sagt die Bürgerrechtsorganisation.

Die Humanistische Union kündigt an, auch weiterhin den juristischen und politischen Kampf von Frau Hänel zu unterstützen. Nachdem das Berufungsgericht ihre strafrechtliche Verurteilung bestätigt hat, bedeute dies, das Urteil gegen Frau Hänel vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Dabei würde auch die vorgeschlagene Neuregelung, wenn sie in Kraft tritt, überprüft werden, so die Humanistische Union.