Das Aufhängen des Kruzifixes im Eingangsbereich eines Gymnasiums war und ist grundgesetzwidrig. Es muss entfernt werden. Dazu eine Stellungnahme des Bundes für Geistesfreiheit München.
Schlagzeilen macht aktuell das jüngste Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Das Gericht hat am 8. Juli 2025 verkündet, dass zwei (inzwischen ehemalige) Schülerinnen des staatlichen Gymnasiums Hallertau in Wolnzach im Recht waren/sind, darauf zu bestehen, dass das knapp 1,50 cm hohe Kruzifix im Eingangsbereich ihrer Schule entfernt werden muss. Dieses religiöse Symbol hat in einer staatlichen Schule im Rechtsstaat nichts zu suchen.
Dass das streitgegenständliche Kruzifix jetzt dennoch nicht abgenommen wird in Wolnzach, das hat damit zu tun, dass das Hohe Gericht die berechtigte Forderung der beiden Schülerinnen zu quasi einem „Einzelfall“ erklärte, also zu einem Fall ohne grundsätzliche, generelle Rechtswirkung für alle Bürger*innen im Freistaat. Und das ist in der Tat ein Problem!
Denn tatsächlich ist nicht juristischer Streitgegenstand bei diesem ganzen Verfahren gewesen, dass die beiden Schülerinnen sich als Individuen privat „gestört“, „bedroht“ oder „belästigt“ gefühlt haben. Die beiden Schülerinnen – bzw. ihre Eltern in Vertretung – haben diese Klage geführt, weil das Aufhängen dieses christlichen Symbols im staatlichen Gymnasium grundgesetzwidrig war und es immer noch ist. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt immer und überall, also auch im Land von Söder, Holetschek und Co. und damit auch im staatlichen Gymnasium in Wolnzach. Es ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern offensichtlich fehlende Grundkenntnis der Verfasstheit des demokratischen Rechtsstaats, dass die Schulleitung dieser staatlichen Bildungseinrichtung (mitsamt ihrem Lehrer*innen-Kollegium) vom höchsten Bayerischen Gericht erst auf ihr Fehlverhalten bzw. ihre Unkenntnis hingewiesen werden muss!
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 8. Juli 2025 festgestellt, dass das Kruzifix die Glaubensfreiheit der Schülerinnen verletzt hat und die Schule verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen. Dabei weist das Gericht ausdrücklich auf den „Kruzifixbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 hin und sieht „in der Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit. Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert. Das groß dimensionierte Kruzifix war an einer sehr exponierten Stelle angebracht und zeichnete sich durch eine figurenhaften Darstellung des Leichnams Jesu aus,“ schreibt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Pressemitteilung vom 9. Juli 2025.
Aber Grund zum großen Jubel besteht nach diesem Urteilspruch wirklich nicht! Das Urteil ist lediglich ein demokratischer „Teil“-Sieg. „Teil“-Sieg deshalb, weil es eine berechtigte demokratische Forderung nach Einhaltung des Grundgesetzes zu einem quasi privaten, individuellen „Einzel“-Fall degradiert. Dieses Kruzifix muss nach geltendem deutschen Recht auch dann von der Wand der staatlichen Bildungseinrichtung in Wolnzach abgenommen werden, wenn sich überhaupt niemand dort bemerkbar daran „stört“ bzw. gar alle dortigen Schüler*innen mitsamt aller dortigen Lehrer*innen es dort sogar aufgehängt haben wollten!
Wenn man den inzwischen bekannten Fall und seine Vorgeschichte noch weiter betrachtet, so kommt man auch nicht umhin, sich zum einen zu fragen, welches Verständnis die Schulleitung bzw. die Gesamtheit der Lehrer*innen dieser Schule von ihren Betreuungs- und Fürsorgepflichten gegenüber allen ihren Schülern*innen hatten/haben? Scheinbar hat kein Mitglied der Schulleitung bzw. des Lehrkörpers sich zu irgendeinem Zeitpunkt berufen gefühlt, den (aufgrund des Bestehens auf den im Rechtsstaat garantierten Grundrechten) andauerndem massiven Mobbing und Beschimpfungen ausgesetzten Schülerinnen zu Hilfe zu kommen bzw. sich dieses Themas in der Schule überhaupt anzunehmen. Warum nicht?
Zum anderen erscheint es bemerkenswert, dass jetzt, wo das Urteil Wellen schlägt, dies immer noch so gar kein Thema zu sein scheint! Sich schützend vor die Schüler*innen zu stellen, das ist der Schulleitung, ist den Lehrern*innen allem Anschein nach in den gesamten zurückliegenden Jahren nicht eingefallen und tut es auch jetzt nicht. Im Gegenteil, sie erhalten geradezu Schützenhilfe aus den Reihen der politischen Mandatsträger der CSU und FW, die sie in ihrer Haltung lautstark krakeelend auch noch bestärken. Und doch: Lautet der Bildungsauftrag des Rechtsstaats an die Lehrkräfte nicht vielleicht auch, die anvertrauten Schüler*innen zu demokratischen Bürger*innen und zu echten Demokraten*innen zu erziehen zu versuchen? Deren Meinungen, Glauben etc. durch den Rechtsstaat und seine Gesetze geschützt sind, und die sich auf diesen Schutz auch verlassen können …. über 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur, wo u.a. anders gläubige Bürger*innen im Deutschen Reich nicht nur gemobbt, gedemütigt und belästigt, sondern in Folge enteignet, deportiert und vernichtet worden sind? Der aktuelle Fall gibt jedenfalls in vielerlei Hinsicht zu denken…