Verfassungsbeschwerde nicht angenommen

Aktionskünstler Wolfram Kastner bei einer Kuntsintervention am "Ehrenmal" des Kriegsverbrechers Alfred Jodl auf der Fraueninsel

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Verfassungsbeschwerde des Aktionskünstlers Wolfram Kastner wegen des „Ehrenmals“ für Alfred Jodl nicht zur Entscheidung angenommen. Auf dem Friedhof der Fraueninsel im Chiemsee erinnert ein Steinkreuz an den Nazikriegsverbrecher. Wolfram Kastner hat seit 2015 mit ästhetischen Interventionen vor Ort immer wieder protestiert, wurde von Gerichten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt und zog deshalb nach Karlsruhe. Die Richter wiesen die Beschwerde nun ab.
Im folgenden Beitrag eine Zusammenstellung der Ereignisse und ein Kommentar von Carl Blauhorn:

Seit 1956 befindet sich der Gedenkstein Alfred Jodls auf der Fraueninsel. Auf dem großen Steinkreuz eingemeißelt sind neben Jodls Namen und dem Geburts- und Sterbedatum ein Eisernes Kreuz wegen seiner ‚militärischen Verdienste‘ sowie sein militärischer Rang.
Dass Jodl Schuld an der Ermordung hunderttausender Menschen trägt, dass er als Chef des Wehrmachtführungsstabs im Oberkommando der Wehrmacht einer der engsten Berater Hitlers war und dass er 1946 als einer der 24 angeklagten Hauptkriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet, ist auf dem Stein nicht zu lesen.

Alfred Jodl ist auf der Fraueninsel gar nicht begraben, sondern seine Leiche  wurde 1946 eingeäschert, die Asche in die Isar gestreut. Damit sollte ein Gedenken verhindert werden. Auch die alliierte Kontrollratsdirektive Nr. 30 vom 13. Mai 1946 untersagte ausdrücklich die Errichtung, die Aufstellung oder Zurschaustellung von Gedenksteinen, „die darauf abzielen, die deutsche militärische Tradition zu bewahren und lebendig zu erhalten (und) den Militarismus wachzurufen (…)“.
 
Einer Bitte Kastners die Missstände am Gedenkstein, der auch immer wieder Treffpunkt von Rechtsextremen war, zu beheben, wollten weder der Grabnutzungsberechtigte noch die Gemeinde Chiemsee als Grabeigentümer entsprechen. Der Künstler hatte daraufhin das Steinkreuz im Sommer 2015 mit einer Hinweistafel versehen, auf der „Keine Ehre dem Kriegsverbrecher“ zu lesen war. Im Jahr 2016 brachte er zweimal rote Farbe als Symbol für das Blut an, das der Kriegsverbrecher Jodl vergossen hatte. In einer weiteren Aktion hatte er zudem den Buchstaben J vom Namen entfernt und an das Historische Museum in Berlin geschickt, übrig blieb „Odl“ – in Bayern das Wort für Jauche bzw. Gülle. 

Schließlich wurde der Aktionskünstler in mehreren Gerichtsverfahren verurteilt die Putz- und Reinigungskosten in Höhe von 4.088,34 EUR  dem Grabnutzungsberechtigten, einem Neffen der Witwe Alfred Jodls, zu erstatten. Kastner zog daraufhin vor das Bundesverfassungsgericht. Die Richter*innen in Karlsruhe haben nun die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Bund für Geistesfreiheit München unterstützte Kastner bei den Verfahrenskosten.
 
Dazu der Kommentar „ODL-Gericht 2021“ von Carl Blauhorn:
 
Das Bundesverfassungsgericht hat Recht gesprochen. In der Sache mit dem Ehrenkreuz auf der deutschen Fraueninsel im Chiemsee, das da seit 1956 den Nazi-General und Massenmörder Jodl ehrt. Der wurde bekanntlich als Hauptkriegsverbrecher verurteilt, hingerichtet und seine Asche in einen Zufluss der Isar geschüttet, damit kein Pilgerort für Nazis entsteht.
 
Gegen dieses Ehrenkreuz gab es Petitionen, die ohne Wirkung blieben und Kunstaktionen, die von deutschen Gerichten als Straftaten und Sachbeschädigung be- und verurteilt wurden. Der Künstler K. wurde zu Zahlungen von 12.000 € verurteilt. Das ist tatsächlich existenzbedrohend und eine drastische Einschränkung der Kunstfreiheit.
 
Die Richter am BVG verdienen so gut, dass sie 12.000 € als nicht sehr viel Geld ansehen und keine Einschränkung der Kunstfreiheit „substanziiert“ erkennen mögen.
 
Das Hohe Gericht zu Karlsruhe ist auch nicht in der Lage, den Unterschied zwischen einem Grab und einem Scheingrab, einem Epitaph und einem Kenotaph, einem Grabstein und einem Ehrenkreuz zu erkennen. Diese Unterscheidung wäre eigentlich keine großartige geistige Leistung. Aber sie ist entscheidend für eine sachliche Entscheidung darüber, ob das Eigentum an einem Ehrenkreuz für den Kriegsverbrecher Jodl auf einem Friedhof, wo er nicht begraben ist, eine höher zu schützendes Grundrecht ist als die Freiheit der Kunst.
 
Stellt sich da evtl. die Frage, ob das Gericht bloß zu blöde dafür ist oder einfach nicht will? Das Hohe Odl-Gericht, das entschieden hat, dass es lieber nicht über eine Verfassungsbeschwerde entscheiden will, hat aber dann doch entschieden, dass durch das Anbringen des Wortes Kriegsverbrecher und einer symbolischen Blutspur „die Nutzbarkeit des Grabsteins in eben dieser Funktion … stark beeinträchtigt“ und dass der „Eigentumseingriff durch Beeinträchtigung der Sachsubstanz von hoher Intensität“ sei.
 
Das Hohe Gericht tanzt zwar weidlich um die heilige Goldene Kuh des schützenswerten privaten Eigentum herum, aber es kann nicht erklären, wie das private Eigentum an einem öffentlichen EhrenKreuz für den Hitler-General und Massenmörder Jodl „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (GG Art 14,2) kann. Unfähig oder unwillig?
 
Dagegen kann das Hohe Gericht aber oberlehrerhaft und zensurierend bestimmen, was nötig gewesen wäre, um die Kunstaktion als Kunstaktion zu erkennen. Ein Kunstwerk müsste ihm nach völlig „interpretationsoffen“ sein und dürfe auf gar keinen Fall eine „abgeschlossene Aussage“ enthalten. Das oberste Jodl-Gericht vermisst „eine freie schöpferische Gestaltung … in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur Anschauung gebracht würde“. Spricht da der enghirnige Kunstscheinverstand juristischer Spießer
gegen Manet, George Grosz, Käthe Kollwitz u.a. ?
 
Wen wundert es da noch, dass das Hohe Gericht in seinen Auslassungen im Unterschied zum verurteilten Künstler und vielen anderen kein „Missfallen“ an der steinernen Ehrung des Hauptkriegsverbrechers Jodl bekundet und keinen Missstand erkennt.
 
Der Künstler und sein Rechtsanwalt haben der 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts eine Gegendarstellung zukommen lassen – in der sehr gemäßigt optimistischen Hoffnung auf Einsicht.


ODL entstand durch Entfernung eines „J“ in einer Kunstaktion und ist der süddeutsche Begriff für Jauche.